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Montag, 16. Mai 2005

Das Leben findet draussen statt

Irgendwann heute Nacht wache ich auf, weil meine französische Nachbarin mal wieder eine Schimpftirade über Telefon loslässt. Aufgrund ihrer Stimmlage bin ich froh, nicht alles zu verstehen, da ich glaube, ihre Wortwahl ist nicht sehr nett. Frauen ab einem bestimmten Alter werden keifend, wenn sie keinen Sex haben. Hätte sie welchen, würde ich es durch die dünnen Wände hören. So leise kann kein Mensch dabei sein.
Das nächste Mal wache ich Fremdwörter murmelnd auf. Ich träumte, ich wäre ein Lexikon und mein Name wäre Wikipedia. Von draußen dringen merkwürdige Geräusche an mein Ohr. Dumpfe Schläge in längeren Zeitabständen. Ich sehe aus dem Fenster. Auf der vorgelagerten Terrasse des ersten Stockwerks steht der Nachbar und übt über einem Fußabstreifer Golfschläge. Er sieht noch etwas steif in der Hüfte aus. Sein Blick bleibt auf den Fußabstreifer fixiert, während er den Schläger schwingt. Eine kreative Variante des Teppichklopfens. Vielleicht entstand so einst diese Sportart. Ich überlege mir, welche Fenster er wohl träfe, wenn er jetzt einen Ball schlüge. Spontan fallen mir mehrere Balkontüren ins Auge.
Später sitzt er am Tisch und schneidet Fingernägel, während sein Mitbewohner Schuhe putzt. Beide scheinen nur schwarze Schuhe zu besitzen, was die Auswahl der Creme deutlich vereinfacht. Man sagt Frauen nach, sie besäßen viele Schuhe. Wenn das ein geschlechtsspezifisches Kriterium ist, dann müssen die beiden schwul sein. Andererseits tragen beide Glatze und Springerstiefel. Das verwirrt mich ein wenig in meiner Kategorisierung. In letzter Zeit sehe ich sie öfter auf der Terrasse. Meist essen sie dort, reparieren ihre Fahrräder oder schreiben am Laptop, stets synchron. Zum Muttertag war Mutti zu Besuch. Ihr wurde stolz in einer Regenpause die Terrasse vorgeführt. Die Terrasse scheint für die Beiden Wohnzimmerersatz zu sein. Ich bin schon gespannt, was diesen Sommer dort noch alles stattfinden wird. Andere zu beobachten ist nicht unbedingt mein Hobby und beinahe komme ich mir dabei vor, als würde ich etwas Verbotenes tun. Bei meinem Blick aus dem Fenster ist deren Terrasse allerdings so etwas wie ein Präsentierteller. Ich kann kaum daran vorbeischauen. Hoffentlich ist das den Mietern ebenfalls bewusst und sie überlegen sich, welche Show sie mir zukünftig präsentieren.

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Zuletzt aktualisiert: 2006/06/26 23:31

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