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Unter den Blinden ist der Einäugige König

Love is blindness
I don't want to see
Won't you wrap the night
Around me?
Oh my love

[U2]


Liebe macht blind, sagt der Volksmund. Aber der sagt auch sonst viel dummes. Ich erinnere nur an die Sprüche über das Wetter Kräht der Hahn auf dem Mist... Mich hat Liebe noch nie blind gemacht. Ich habe vom ersten Moment an gesehen, womit ich es zu tun habe, um es dann entweder erfolgreich zu verdrängen oder mit anderen Augen zu sehen. Das waren dann diese Saint-Exupery Augen. Man kennt seine abgedroschenen und von hoffnungslosen Esoterikerinnen gerne zitierten Sprüche. Genau, ich meine die mit dem Herzen und so.

Wenn nun die Verdrängung zunächst erfolgreich war, so war sie es meist nur bis zum bitteren Ende. Dann wird einem die Augenmaske brutal von Herrn Realität und Frau Desillusion heruntergerissen. Und man steht da, blinzelt ein wenig gegen die Sonne und weiß nicht so recht, was man sagen soll. Man stammelt irgendwas von das habe ich so nicht gewollt oder ich konnte nicht anders und meint, damit entschuldigt zu sein. Frau Desillusion kann man damit nichts vormachen und dem Herrn Realität schon gleich gar nicht. Die sind erbarmungslos. Natürlich hat man es besser gewusst und hätte demnach auch anders können. Natürlich wollte man es genau so. Wie denn sonst? Etwa nicht so, wie man Wochen, Monate oder gar Jahre gewollt hat? Machen wir uns nichts vor. Insgeheim lechzen wir doch nach Bestrafung, wie das kleine Kind, das eine Münze aus der väterlichen Geldbörse gemopst hat und mit schokoladenverschmiertem Mund heimkommt. Genau, es hat nicht mal seinen Mund abgewischt und nein, das geschah nicht aus Dummheit, sondern weil es insgeheim etwas bestimmtes bezwecken wollte. Es wollte erwischt werden. Nur dann hat die Mama auch mal Zeit für ein längeres Gespräch ausserhalb der gewöhnlichen Ermahnungen und nur dann kann man dem müden Papa abends auch mal Gefühle entlocken. Ausserdem gibt es nichts schöneres, als nach der Schelte in den Arm genommen zu werden und gesagt zu bekommen, dass man ja liebgehabt wird und die Standpauke nur deswegen war.

Merkwürdig, dass wir alle immer wieder zu kleinen Kindern mutieren, wenn es um Herzensangelegenheiten geht, wo wir doch tagein, tagaus ach so erwachsen tun. Erwachsen sein, heisst Verantwortung für sich und andere - in erster Linie jedoch für sich - zu übernehmen und nicht, das kleine Kind in sich so lange niederzuprügeln, bis es endlich still zu sein scheint. Im Niederprügeln sind die sogenannten Pazifisten und Antiautoritären besonders gut. Der landläufige Terminus dafür heisst Verdrängung. So ein Verhalten ist alles andere als erwachsen. Das kleine Kind wird sich nämlich melden, sei es in Form von Träumen, von psychosomatischen Beschwerden oder sonstwie. Es möchte gehört werden und liebgehabt, selbst wenn es dazu vorher böse Dinge tun muss.

Ach, was schreibe ich da. Im Grunde ist es völlig egal, ob ich es mir tausendmal vorsage oder nicht, ich werde dennoch manche Fehler immer wieder machen, werde mir im Nachhinein einreden, dass das eine gute Erfahrung war und ich jetzt genau weiß, was Sache ist und es dann doch wieder tun. Ich bin nur ein kleiner Mensch, der liebgehabt werden will.

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Zuletzt aktualisiert: 2006/06/26 23:31

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